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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 06.04.2003


Fish & Elephant - Der erste Lesbenfilm aus China
Anja Kesting

"Man sagt, Leute, die Fische mögen, sind ganz wild auf Sex" - ist diese Anspielung der jungen Ling beim Blick auf das Aquarium in Quns Schlafzimmer eine chinesische Weisheit oder bloß eine Anmache?




Jedenfalls verfehlt sie ihre Wirkung beim ersten Date mit Qun, die als Elefantenwärterin im Zoo arbeitet, nicht.

"Fish & Elephant" - Chinas erster lesbischer Film setzt sich auf sehr differenzierte Weise mit dem Thema Heimlichkeiten auseinander.
Was die Gesellschaft nicht sehen darf, wird auch nicht gesehen. Deshalb ließ Regisseurin Li Vu das Skript auch nicht von der staatlichen Filmaufsicht gegenlesen, eine Genehmigung hätte sie nie erhalten.

"Ich wollte in meinem Film den Schmerz und die Hilflosigkeit einer Frau darstellen. Das ist der Grund dafür, dass es diesen Film gibt. In den Augen der Hauptfigur ist die Gesellschaft wie eine Mauer. Ihre Hoffnungen und Wünsche liegen jenseits dieser Mauer", erklärt die 29jährige Regisseurin. "Der stille Widerstand, den sie leistet, bringt ihr nur noch mehr Druck und Schmerz ein. Manche Leute sagen, Fish & Elephant sei ein Frauenfilm. Das stimmt nicht ganz:
Nur die Hauptfiguren sind Frauen."
Der Film ist ausschließlich mit LaienschauspielerInnen besetzt, das bürgt für Authentizität, Einige Männer erfuhren erst vor laufender Kamera, dass sie einer Lesbe gegenübersitzen. Quelle surprise...

Fast unbemerkt verläuft die erste Begegnung der beiden Hauptdarstellerinnen Xiao Ling (Shi Tau) und Xiao Qun (Pan Yi). In dem kleinen Bekleidungsgeschäft von Xiao Qun lernen sie sich kennen, verlieben sich ineinander und ziehen zusammen. Kompliziert wird es, als Xiao Quns Mutter (Zhang Jilian) bei ihnen einzieht, die will ihre 30jährige Tochter nun endlich "an den Mann bringen".

Mit einer bewundernswerten Ausdauer arrangiert sie immer neue Rendezvous für Xiao Qun, die diese mit einer ebensolchen Ausdauer über sich ergehen lässt.

Die Situation wird noch prekärer, als Xiao Quns ehemalige Geliebte Junjun (Zhang Qianqian) eines Tages im Zoo auftaucht und sie um Hilfe bittet.
Sie hat ihren Vater getötet, der sie jahrelang sexuell missbraucht hat, und ist nun auf der Flucht vor der Polizei. Xiao Qun entschließt sich, ihrer Ex-Freundin zu helfen, auch auf die Gefahr hin, das Vertrauen ihrer neuen Geliebten zu verlieren.

In einer rührenden Nebenhandlung verliebt sich die Mutter in einen 50jährigen, warmherzigen Buchhalter, den sie ihrer Tochter als potentiellen Ehemann vorgestellt hatte - und den sie nun selbst heiratet.

Fish & Elephant ist ein ruhiger Film. Die Geräusche, der Lärm, die Stimmen von der Straße bilden einen krassen Gegensatz zu der Abgeschiedenheit des Paares und deren Beziehung, die ihr eigenes Tempo hat.

Beim Verlassen des Kinos wird der Zuschauerin noch lange die Lebensweisheit von Xiao Qun nachhallen: Was letztlich zählt, sei allein das Glücklich-Sein, erklärt sie ihrer Mutter in einer einzigen minutenlangen Einstellung. Und bei der Schilderung einer verlorenen Kindheit merkt man erst, wie lange eine Zigarettenlänge dauern kann.



Jin nian xia tian (Original)
Fish & Elephant
Regie: Li Vu
Darsteller: Pan Yi, Shi Tau, Zhang Qianqian, Zhang Jilian
Kinostart: 27.April 2003
China 2001
Länge: 96 Minuten.
OmT Chinesisch (Mandarin).
www.fsk-berlin.de


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Beitrag vom 06.04.2003

AVIVA-Redaktion